In den letzten Tagen trudelten einige Fragen bei mir ein. Am vergangenen Wochenende wurde im Fernsehen wohl ein Beitrag über einen angehenden Assistenzhund gezeigt, der ein "Thema" mit fremden Menschen und anderen Hunden hat. Im Beitrag wurde ein Hundetrainer zu Rate gezogen, der meines Wissens keine Erfahrungen mit Assistenzhunden hat. Seine Aussage im Beitrag war sinngemäß: "Der Hund hat ein ernst zu nehmendes Problem mit fremden Menschen und fremden Hunden. Da werden wir jetzt dringend dran arbeiten DAS IST JA AUCH KEIN BESTANDTEIL DER ASSISTENZHUNDE-AUSBILDUNG". Der letzte Teil des Satzes hat scheinbar für einige Verwirrung gesorgt.
Gehören Leinenführigkeit, höflicher und sozialer Umgang mit anderen Hunden und das ruhige Verhalten und die Akzeptanz von (unbekannten) Hilfspersonen im im Notfall wirklich nicht in die Assistenzhunde-Ausbildung?
Auf den ersten Blick scheint die Antwort ganz klar: in die ASSISTENZHUNDE-Ausbildung, also das erlernen von speziellen Assistenzaufgaben zur Unterstützung eines Menschen mit Behinderung gehören diese Dinge wirklich nicht.... aber
Bevor ein junger Hund spezielle Assistenzleistungen (z.B. sicheres Führen im Straßenverkehr, Aufheben / anreichen von herunter gefallenen Dingen, Anzeigen von Gefahrstellen, Telefonklingel, Anzeigen bevorstehender Epileptischer Anfälle, einer Unterzuckerung,....) erlernt, MUSS er einen sehr guten Grundgehorsam und eine top Sozialisierung auf andere Hunde inkl. Gewöhnung an seine Umgebung haben.
Was genau Prüfungsbestandteile der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Assistenzhundeprüfung sein werden, steht in der hoffentlich irgendwann einmal erscheinenden Rechtsverordnung zum Assistenzhundegesetz (§§12e ff BGG). Bis diese RVO vorliegt hilft ein Blick in´s benachbarte Ausland und zur Assistance Dog International als weltweiter Dachverband für Assistenzhunde-Ausbildungsstätte.
Das Messerli Institut der Uni Wien, als staatlich beauftragte Prüfungsstelle der Österreicher sagt in ihrer Prüfungsordnung (Stand 07/2022) u.a.
3.1 Sozial-/Umweltverhalten des Assistenzhundes
3.1.1 Umweltsicherheit allgemein
Es ist ein umweltneutrales und den allgemeinen Umwelteinflüssen angepasstes Verhalten des Hundes gefordert. Der Hund bleibt von Alltags- und Umweltgeräuschen unbeeindruckt, darf aber in Richtung des Geräusches schauen. Nervöse und überzogene Reaktionen sind negativ zu bewerten.
3.1.6 Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln
Der Hund sollte sich ruhig und ausgeglichen verhalten. Er darf dabei sitzen, liegen oder stehen ohne dabei andere Fahrgäste zu belästigen und seine Stellung (Liegen, Sitzen, Stehen) ohne Grund auf dem zugewiesenen Platz verändern. Der Hundeführer/die Hundeführerin haben für die Sicherheit des Hundes entsprechend Sorge zu tragen, kleine Hunde dürfen während der Fahrt auch am Schoß des Hundeführers/der Hundeführerin gehalten werden.
3.1.9 Verhalten gegenüber Artgenossen
Neutrales Verhalten erwünscht, Hund darf zu anderen Hunden hinsehen soll sich aber an dem Hundeführer/der Hundeführerin orientieren und die Einsatzbereitschaft bzw. Einsatzfähigkeit nicht beeinträchtigen. Aggressionsverhalten und übermäßige Unterwerfung sind nicht erwünscht.
3.1.10 Verhalten gegenüber Tieren
Neutrales Verhalten erwünscht, Hund darf zu anderen Tieren hinsehen soll sich aber an dem Hundeführer/der Hundeführerin orientieren und die Einsatzbereitschaft bzw. Einsatzfähigkeit nicht beeinträchtigen. Aggressionsverhalten, Jagdverhalten und übermäßige Unterwerfung nicht erwünscht.
3.1.11 Verhalten gegenüber Menschen
Neutrales Verhalten erwünscht, Hund darf zu anderen Menschen hinsehen soll sich aber an dem Hundeführer/der Hundeführerin orientieren und die Einsatzbereitschaft bzw. Einsatzfähigkeit nicht beeinträchtigen. Aggressionsverhalten und übermäßige Unterwerfung sind nicht erwünscht
3.2 Gehorsam des Assistenzhundes
3.2.1 Leinenführigkeit und Freifolge
Von der Grundstellung (Grundstellung STEH oder SITZ ist vor Beginn der Unterordnungsübungen bekannt zu geben) aus hat der angeleinte / frei folgende Hund seinem Hundeführer/seiner Hundeführerin auf ein frei wählbares Signalzeichen zu folgen. Das Signalzeichen hat innerhalb der Prüfung immer gleich zu lauten. Der Hund soll dabei an der vom Hundeführer/ von der Hundeführerin frei gewählten Seite des Hundeführers/ der Hundeführerin (des Rollstuhls) an lockerer Leine/in Freifolge geführt werden.
(Quelle: Prüfungsordnung für die Beurteilung von Assistenzhunden durch das Messerli Forschungsinstitut, Veterinärmedizinische Universität Wien Stand 01.01.2020)
Die Assistance Dog International schreibt ihren Mitgliedsprogrammen einen "Assistance Dogs International Public Access Certification Test" vor, der "... die Eignung eines Teams für die Öffentlichkeit (... bewertet...). Bei erfolgreichem Absolvieren zeigt die Zertifizierung, "... dass das Assistenzhundeteam des Kunden darauf vorbereitet ist, den Hund sicher und angemessen in der Öffentlichkeit zu führen..." (https://assistancedogsinternational.org/resources/adi-terms-definitions/). Von den ADI Mitgliedsorganisationen (in Deutschland übrigens derzeit 2 plus 1 Bewerber) werden ohne Schwierigkeiten von allen Fluggesellschaften der Welt anerkannt, haben in nahezu allen Ländern geschützte Rechte, vereinfachte Quarantäneregeln... kurz sie sind weltweit anerkannt.
Wenn ich die Anforderungen beider großen Ausbildungs- und Prüfstellen vergleiche komme ich zu einem eindeutigen Ergebnis:
Der Grundgehorsam, Sozial- und Umweltverhalten müssen auch und gerade bei einem Assistenzhund top sein. Altersentsprechend gibt es immer mal Zeiten, in denen der Junghund seine Ohren auf Durchzug gestellt hat, keine Frage. Aber für mich gehört das Training des Grundgehorsam, Sozial- und Umweltverhalten unbedingt zur Assistenzhundeausbildung. Wie soll ein Assistenzhund Zugang zu öffentlichen Gebäuden oder Verkehrsmitteln haben (und als geprüfter Assistenzhund hat er diese), wenn er andere Menschen anbellt, sie möglicherweise beißen möchte? Wie soll ein menschlicher Ersthelfer bei einem medizinischen Notfall helfen, wenn der Assistenzhund zähnefletschend neben seinem Besitzer steht?
Also: wenn euch ein Hundetrainer, egal ob spezialisiert auf Assistenzhunde oder nicht erklärt: Grundgehorsam Leinenführigkeit, freundliches Verhalten in Gegenwart (fremder) Menschen oder anderer Hunde gehört nicht in mein Aufgabengebiet.... überlegt bitte, ob dies die richtige Basis für eine Zusammenarbeit ist.
Wer sich mehr für Grundlagen der Assistenzhundeaufgaben, Grundkommandos und Verhaltensweisen interessiert:
https://www.bod.de/buchshop/handbuch-der-assistenzhundeaufgaben-katharina-kuesters-9783754303634
und ihr dürft euch auch gerne bei mir melden.